„Schwarzhörern" empfiehlt STEREO
monatlich die besten Schallplatten
des „Schwarzmarktes"
Gerry Mulligan, Chet Baker
CARNEGIE HALL CONCERT
VOL. 1 & 2
CTI /Sony/Speakets Comet, dacapo-tecotds.de
Nach einem Gig in L. A.s Nachtclub
The Hag gründeten 1952 der Bari-
tonsaxofonist Gerry Mulligan und
der Trompeter Chet Baker das legen-
däre Gerry Mulligan Quartet. Ohne
Klavier oder andere Hamonieinstru-
mente schrieben sie Geschichte als
„weiße Hoffnung“ des Jazz. Nach nur
einem Jahr wurde Mulligan wegen
Drogen für kurze Zeit eingebuchtet,
woraufhin die Band zerbrach. Nach
einem Intermezzo fünf Jahre später
fanden die beiden 1974 bei dieser
Live-Aufnahme erneut zusammen.
Anders als im Begleittext vom
Vertrieb zu lesen, blieb nicht alles
beim Alten. Auch wenn Klassiker wie
„My Funny Valentine“, einer ihrer
größten Hits zwei Dekaden zuvor,
aufgeführt wurde, so ist der Sound
nun mit Bob James am E-Klavier
und dem damals 22-jährigen John
Scofield an der E-Gitarre zeitgemäß
elektrifiziert. Was seinen eigenen
Reiz hat. Das Konzert bietet mit der
zarten Linienführung Mulligans und
dem dunkeln, lyrischen Spiel Bakers
die perfekte Kulisse für kalte Tage.
Ilham i DUzgUn
« in
MULLIGAN
BAKER
CARNEGIE HALL
CONCERT
m
.
8
VA X I M l
1 & 2
w
OS.
Shorty Rogers
THE WIZARD OF OZ AND OTHER
HAROLD ARLEN SONGS
RCA/Sony/Living Stereo LP, dacapo-tecotds.de
Die „Living Stereo“-Reihe gilt als
audiophile Schatzkammer,
und
auch „The Wizard Of Oz .
..“ (1959)
bildet da keine Ausnahme: Man ist
überrascht, wie deutlich schwächer
viele modernere Alben im Vergleich
klingen. Die meisten Titel, darunter
die komplette A-Seite mit „Over
The Rainbow“, stammen aus dem
Erfolgs-Musical „The Wizard Of Oz“,
wurden indes von Shorty Rogers als
Grundlage für Jazz-Improvisationen
umgedeutet und für seine Big Band
arrangiert. Die B-Seite hat man
aus weiteren Harold-Arlen-Songs
des
„American Songbook“ zu-
sammengestellt. Aufnahmeseitig
ist Transparenz und dynamischer
Druck zu attestieren. Die Platte aus
schwerem Vinyl ist insgesamt gut
gefertigt, was Zentrierung, Planlage
und auch Abspielgeräusch angeht.
Gleichwohl wies das Testmuster
eine kleine Macke im letzten Stück
der A-Seite auf.
Tom Frantzen
East Drive
STUDIO KONZERT
Neuklang/Edel LP, vinylkatalog.de
„Audiophil“ ist zum inflationär
gebrauchten Begriff mutiert, der
auch manch halbgarer Produktion
ein Gütesiegel verleihen soll. Auf
vorliegende Platte aber trifft er zu.
Ein Konzert des Trios East Drive,
das seinen spannungsreichen und
zugleich melodischen Jazz durch
ethnische
Elemente
bereichert
(und hier durch den Pianisten Vadim
Neselovskyi ergänzt wird), hat man
live mitgeschnitten. Nicht in irgend-
einem Jazzkeller, sondern in den
renommierten Bauer Studios, die
akustisch wie technisch optimale
Bedingungen bieten. Ich selbst hat-
te das Glück, am 21. Mai 2013 vor Ort
zu sein (siehe Tonstudiogeschichte
in STEREO 9/13) und freue mich, wie
authentisch das Erlebnis jetzt durch
die Vinylscheibe neu erweckt wird.
Welche Rolle spielt dabei wohl die
Tatsache, dass man direkt - ohne
nachträgliche Overdubs oder Mi-
schungen - auf Analogband aufge-
zeichnet hat, das dann auch Master
NEUES AUF VINYL
für den Vinylschnitt war? Jedenfalls
mutet es fast wie ein Treppenwitz
der HiFi-Geschichte an, dass das
Label Neuklang auf dem Cover mit
„AAA“ auf den vollständig analogen
Fertigungsprozess verweist, schien
doch in den 80er Jahren das Siegel
„DDD“ das Maß aller Dinge zu sein.
Entscheidender war wohl Tonmeis-
ter Philipp Heck, der 20 hochwertige
Mikrofone für die Aufnahme gewis-
senhaft positionierte und dann an
der Neve-VXS-Konsole live so misch-
te, dass daraus ein klarer Sound
resultierte. Und nicht zuletzt die
Musiker selbst, die im Bewusstsein
der Aura des Augenblicks besonders
mitreißend gespielt haben.
Andreas Kunz
der B-Seite, ist weitaus dynami-
scher als Ravels betont leise und
gleichförmige „Trauerprozession für
eine verstorbene Prinzessin“, die
sich deshalb innen findet. So ist die
Revers-Abtastung auch hier mehr
als nur ein Gag. Dazu kommt eine
sehr homogene, räumliche und dy-
namisch unangestrengte Aufnahme,
für die vor allem alte Röhrenmikrofo-
ne von Neumann eingesetzt wurden.
Die musikalische Interpretation der
bildhaften Kompositionen gelingt
dem
Netherlands
Philharmonic
Orchestra unter Carlo Rizzi überzeu-
gend, so dass die einwandfrei ge-
presste 180-Gramm-Scheibe mehr
ist als eine analoge Skurrilität.
M atthias Böde
Maurice Ravel
MA MÈRE L'OYE, PAVANE, TZIGANE
Tacet LP, vinylkatalog.de
In STEREO 4 /13 stellten wir den
„oreloB“ des Labels Tacet vor. Ra-
vels Bolero läuft dabei zwar nicht
wirklich rückwärts, wurde aber
von innen nach außen geschnit-
ten, so dass der Tonarm dicht am
Label abgesetzt wird und in der
vermeintlichen Einlaufrille seinen
Auslauf nimmt. Tacet-Chef Andreas
Speer hatte diesen ungewöhnlichen
Modus gewählt, da der Bolero sehr
leise beginnt und sich zu einem
ausgedehnten Fortissimo steigert.
Dieses läge bei normaler Abtastung
in den Innenrillen, wo der Platz ge-
staucht und Dynamik wie Auflösung
beschränkt sind - widersinnig. Im
„Backwards“-Modus kann es sich
dagegen in dem erheblich mehr
Platz bietenden Außenbereich der
Schallplatte „breit“ machen.
Ähnlich wie beim Bolero verhält
es sich mit den fünf märchenhaf-
ten Kinderstücken von „Ma mère
l’Oye“. Auch hier zeigt die auf dem
Cover abgebildete Spektralanalyse,
dass die lautesten Stellen am Ende
des Finalstücks liegen, dem bezau-
bernden „Feengarten“. Und auch
der „Tzigane“, zweite Komposition
The Who
TOMMY
Polydot/Univetsal LP, vinylkatalog.de
Dieser Klassiker der Rockgeschich-
te ist als Vinyl und Audio-Only-
Blu-ray neu aufgelegt worden. Ich
bevorzuge ersteres Medium, bürgt
doch die analoge Version für mehr
Atmosphäre als die hochauflösende
Blu-ray (wobei es auch an den Ab-
spielgeräten liegen kann, dass sie
im Vergleich extrem „clean“ klang,
werden doch gerade günstige Blu-
ray-Player erst mit entsprechend
nachgeschalteten Wandlern wirk-
lich gut.) Zudem ist die Fertigung
des Albums aus schwerem Vinyl
sauber und plan, so dass nicht nur
„The Who“-Fans sich dieses Stück
Musikgeschichte getrost in den
Plattenschrank stellen dürfen.
Tom Frantzen
STEREO 2/2014 119
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